Rede von Christiane Leidinger


Christiane Leidinger während der Gedenkfeier in Rüdersdorf © Privatarchiv 2003


Dokumentation der dreiteiligen Rede von Christiane Leidinger (promovierte Politologin), die sie während der Gedenkfeier für Johanna Elberskirchen und Hildegard Moniac am 23. August 2003 auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheid-Straße in Rüdersdorf gehalten hat:


Teil I:

Einen schönen guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste und liebe Freundinnen,


auch von mir ein herzliches Willkommen zur Gedenkveranstaltung für die beiden ehemaligen Rüdersdorferinnen Johanna Elberskirchen und Hildegard Moniac.


Mein Name ist Christiane Leidinger und ich begrüße Sie und Euch als Initiatorin der Unterschutz-Stellung des Grabes, als Politologin, die derzeit über Johanna Elberskirchen an der Justus-Liebig-Universität in Gießen forscht, als Organisatorin und als Moderatorin, die Sie und Euch durch das Programm begleiten wird: Die Gedenkfeier wird ohne Pause ca. ein-einviertel Stunden dauern. Toiletten gibt es hier leider nicht - das zur Information und Vorwarnung.


Diese Veranstaltung ist auch für mich etwas ganz Besonderes:


Nicht nur, weil ich ebenso wie Manfred Hassemer-Tiedeken bislang nicht auf einer Gedenkveranstaltung gewesen bin, sondern auch, weil es möglich wurde, diese Feier – zur Würdigung zweier ehemaliger Frauen des Ortes – in enger Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern aus der Gemeinde Rüdersdorf zu organisieren und zu gestalten. Darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut! Jetzt schon ein herzliches Dankeschön an alle, die an der Veranstaltung mitwirken.


Wer waren diese beiden Frauen aus Rüdersdorf, zu deren Gedenken wir heute hier sind?


Beginnen möchte ich mit Hildegard Moniac, deren Tod weniger lange zurückliegt als der von Johanna Elberskirchen und die deshalb noch wesentlich mehr Rüdersdorferinnen und Rüdersdorfern im Gedächtnis ist:


Also: Wer war Hildegard Moniac?


Hildegard Helene Friederike Moniac wurde am 29. März 1891 als Tochter von Friederike Moniac und dem Kaufmann Felix in Friedenau geboren. Friedenau gehörte damals noch nicht zu Berlin, sondern zum Kreis Teltow. In Berlin aufgewachsen, absolvierte sie 1911 im Lette-Verein ihre Prüfung als Gewerbeschullehrerin für Schneiderei und Putz. Der Lette-Verein bot unter anderem Berufsqualifizierungsmaßnahmen für Frauen an, um es mal modern auszudrücken.


In der Zeit von 1913 bis 1933 war Hildegard Moniac in der Spreemetropole als Gewerbeoberschullehrerin – unter anderem in Charlottenburg – tätig. Dann wurde sie nach Paragraph 4 Berufsbeamtengesetz als sogenannte politisch unzuverlässige Person durch die Nationalsozialisten entlassen. Denn: Moniac war Mitfrau in der USPD. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands hatte sich 1917 als SPD-Abspaltung gegründet und einte ein breites linkes Spektrum von Kriegsgegnerinnen und Gegnern. Ob Hildegard Moniac danach in die KPD eintrat oder ihr politisch nahe stand ist bislang ungeklärt.


In Rüdersdorf organisierte sie gemeinsam mit dem SPD-Genossen Paul Krüger bis 1933 die Jugendweihe.


Nach Rüdersdorf zog sie 1920. Zuvor hatte sie ihre langjährige Lebensgefährtin - Johanna Elberskirchen – kennengelernt: Hildegard Moniac erholte sich von einer Krankheit in einem Sanatorium in Finkenwalde/Stettin im heutigen Polen, wo Elberskirchen als Ärztin arbeitete. Zunächst gingen sie zusammen nach Berlin und kauften sich am 16. August 1920 in Rüdersdorf gemeinsam ein Haus in der damaligen Luisenstraße 32. Das ist das Grundstück der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße Nummer 57 – ganz hier in der Nähe. Heute lebt dort Familie Baum.


Wegen ihrer Zwangsentlassung durch die Nazis hatte Hildegard Moniac Zeit – und finanziell war dies auch bitter nötig –, ihre Freundin Johanna Elberskirchen in deren homöopathischer Praxis im gemeinsamen Haus in der Luisenstraße zu unterstützen. Es gibt Berichte, nach denen sie Arzneimittel und Tinkturen mit dem Fahrrad nach Woltersdorf zu Patientinnen und Patienten brachte, da Elberskirchen im hohen Alter dafür seit Ende der dreißiger Jahre selbst zu krank gewesen ist.


Hildegard Moniac war überhaupt eine Frau, die Bewegung an der frischen Luft schätzte. Eine Zeitzeugin erinnert sich, daß Elberskirchen und Moniac ausgedehnte Waldspaziergänge machten, und eine andere weiß zu berichten, daß Moniac auf dem hiesigen Kalksee in einem Boot paddelte – Mitte der dreißiger Jahre offenkundig eine Aufsehen erregende Betätigung für Frauen.


Hildegard Moniac sei, so sagen übereinstimmend Berichte von Rüdersdorferinnen und Rüdersdorfern, eine „stattliche, auffallende“, eine „sportliche“ Erscheinung gewesen, ein „Original“ eben.


Peter Gutsche hat mir dankenswerterweise Fotos von Hildegard Moniac aus den fünfziger Jahren zur Verfügung gestellt. Diese Fotos haben mich von Anfang an fasziniert: Egal wie viele Personen auf einem Bild zu sehen sind: Hildegard Moniac sticht mit ihrer intensiven Ausstrahlung deutlich heraus! Sie scheint mir eine äußerst charismatische, lebendige, sehr selbstsichere und auch körperbewußte Frau gewesen zu sein. –


Hildegard Moniac war zunächst Direktorin einer Rüdersdorfer Grundschule: Nachdem die Rote Armee das von ihr nach Kriegsende besetzte Gebäude der Grundschule Alt Rüdersdorf verlassen hatte, wurde die seit 1881 existierende Schule unter Leitung von Moniac im Oktober 1945 wieder eröffnet.


1951 wurde Hildegard Moniac, so heißt es, im Interesse des Dienstes entlassen. Schließlich bekommt sie mit Unterstützung eines Kollegen eine Stelle an der ortsansässigen Berufsschule. Als Hintergrund ihrer Versetzung, die vom starkem Protest seitens der Elternschaft begleitet wurde, lassen sich politische Motive vermuten: Moniac galt als SPD-orientiert und damit „nicht linientreu genug“. Zudem ist nicht auszuschließen, daß auch ihre Liebe zu Frauen bei der Versetzung eine Rolle gespielt hat.


Ich zitiere aus dem Schreiben der Elternschaft an den damaligen Schulrat des Kreises. Der Brief liegt der Personalakte von Moniac bei, die im Kreisarchiv Fürstenwalde lagert:


„Die Elternschaft der Schule in Alt-Rüdersdorf hat in einer am heutigen Tage stattgefundenen Versammlung mit großen Bedauern davon Kenntnis erhalten, daß Fräulein Hildegard Moniac als Schulleiterin abgesetzt werden soll. Die Elternschaft erklärt einmütig, daß sie diese Maßnahme als einen großen Schaden für die Schule betrachtet. Fräulein Moniac hat sich in den nahezu 6 Jahren ihrer Tätigkeit als Schulleiterin aufs beste bewährt und hat nach Ansicht der Elternschaft in politischer wie in sachlicher Hinsicht geradezu Vorbildliches geleistet.“ „Sie ist bis zum heutigen Tage die Vertrauensperson aller Eltern und wird von der gesamten Schülerschaft hoch geehrt.“


1954 wurde Hildegard Moniac gesundheits- und altersbedingt gekündigt. Sie ist wohl auch zu diesem Zeitpunkt keineswegs freiwillig aus dem Schuldienst ausgeschieden.


Zu ihrem politischen Hintergrund nach Kriegsende ist wichtig zu wissen, daß Hildegard Moniac 1945/1946 bis zur politisch umstrittenen Vereinigung von SPD und KPD zur SED in der SPD aktiv gewesen ist.


Am 17. Juni 1953, dem Tag der Massendemonstrationen und Streiks in der DDR soll sie mit den Zementarbeiterinnen und Arbeitern am Ort demonstriert haben. Weiteren Rüdersdorfer ZeitzeugInnenberichten zufolge, machte sie sich später in der SED um die Arbeit für Seniorinnen und Senioren am Ort verdient – Dokumente ihrer politischen Arbeit sind aber leider nicht überliefert.


Bis zu ihrem Tod am 3. August 1967 im Alter von 76 Jahren lebte Hildegard Moniac mit ihrer späteren Lebensgefährtin Luitgarde Kettner (1914-1977), "Luli" genannt, im Haus in der Luisenstraße.


Luitgarde Kettner (Bild links) war ebenso wie Moniac (Bild rechts) Lehrerin an der Alt-Rüdersdorfer Grundschule. Sie starb 1977, 63 Jahre alt, während eines Aufenthalts bei Verwandten in Süddeutschland. Die Grabstätte von Hildegard Moniac war eigentlich als Doppelgrab gedacht. Allerdings wurde Luitgarde Kettner in Süddeutschland beerdigt.


Luitgarde Kettner (rechts) und Hildegard Moniac (links) © Peter Gutsche/Christiane Leidinger

Teil II:

Wer war Johanna Elberskirchen?


In dem von Sophie Pataky herausgegebenen 2-bändigen Lexikon deutscher Frauen der Feder aus dem Jahr 1898 heißt es über die damals 34-jährige:


„Elberskirchen, Frau Johanna, Pseudonym Hans Carolan, Casa Capelli Locarno, Tessin, Schweiz, ist am 11. April 1864 in Bonn am Rhein geboren als die Tochter eines Kaufmanns.“


„Die Schule versäumte ich so oft ich konnte, und es war nicht selten – schlechte Zeugnisse waren natürlich. Von meinem 6. – 16. Lebensjahre stand ich unter sehr frommen Einflüssen und war mit 12 Jahren strenge Atheistin. In den Jahren der Schwärmerei, in denen man so empfänglich ist für Blumenduft und Mondscheinnächte, ging mein Atheismus in einen sanften Pantheismus über. Vom 18. – 20. Jahre war ich Weltschmerzlerin par excellence, behandelte aber in praktischen Fällen jeden Menschen als patentierten Engel. Mit den 20er Jahren setzte natürlich die Liebe ein, und gegen Ende der 20er war ich entschiedene Optimistin und behandelte die Menschen in praktischen Fällen als patentierte Beelzebube – vielleicht werde ich Ende der 30er Jahre entschiedene Buddhistin sein. Individualistin war ich stets aus Instinkt und werde es wohl auch bleiben. Deshalb gehöre ich zu den ‘geborenen‘ Frauenrechtlerinnen und Freiheitskämpferinnen. Mit 20 Jahren stand ich, der Not gehorchend und dem eigenen Triebe, auf eigenen Füßen, und zwar als Buchhalterin eines Geschäfts in einem kleinen Nest mit roten Ziegeldächern. Sieben Jahre ging ich in diese Tretmühle, dann emancipierte ich mich und sprang in die akademische Bahn. Ich studierte fünf Semester Naturwissenschaften, Anatomie, Physiologie und Philosophie an der Universität Bern und pflege jetzt an der Universität Zürich den hohen Gelehrsamkeiten ‘Rechtswissenschaft und Volkswissenschaft‘, um der Frauenwelt später mit einem wohl diplomierten Doctor juris mehr dienen zu können.“


Johanna Elberskirchen ging für ihr Studium in die Schweiz. Das musste sie, da es Frauen zu dieser Zeit – nicht nur in Deutschland – verboten war, zu studieren. In ihrer Familie wurde Johanna wegen dieses Wunsches nach akademischer Bildung, der sonst nur Männern zugestanden wurde, auch der „Hannes“ genannt.


In Berlin arbeitete Elberskirchen 1915 bis 1919 in der Säuglingsfürsorge und Moniac als Gewerbeoberlehrerin. 1920 zogen sie hier nach Rüdersdorf und Johanna Elberskirchen eröffnete in ihrem gemeinsam gekauften Haus eine Praxis mit dem Schwerpunkt homöopathische Heilbehandlungen, die sie bis zu ihrem Tod führte – und zwar trotz Berufseinschränkungen durch die Nazis.


Johanna Elberskirchen wurde 1914 in der wissenschaftspolitischen Vereinigung Wissenschaftlich- humanitäres Komitee als eine von wenigen Frauen in das Amt eines sog. Obmanns gewählt. Das Whk, wie das Wissenschaftlich- humanitäre Komitee kurz genannt wurde, war 1897 unter anderen vom Berliner Arzt Magnus Hirschfeld gegründet worden. Die Organisation forderte die Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 175 und trat gegen die gesellschaftliche Diskriminierung von Homosexuellen ein.


Ende der zwanziger Jahre referierte Johanna Elberskirchen für die Weltliga für Sexualreform in Dänemark, in Großbritannien und in Österreich. Die Weltliga war eine Organisation, die sich der Erforschung, der Aufklärung und der Reformierung sexueller Aspekte des Lebens widmete.


An dieser Stelle möchte ich zu einem äußerst kritischen Punkt in manchen politischen Arbeiten Johanna Elberskirchens kommen. Sie vertrat etwa ab der Jahrhundertwende in ihren sexualreformerischen Texten zwar keine extrem rassenhygienischen Positionen und lehnte jegliche Formen von Zwangsmaßnahmen ab.


Aber: Johanna Elberskirchen schwamm völlig selbstverständlich und unkritisch mit dem eugenischen Zeitgeist.


Auch eugenische Gedanken, die sich zum Beispiel in der Förderung erwünschter Geburten konkretisierten, lag und liegt der Maßstab eines „wertvollen“ beziehungsweise eines „minderwertigen“ oder gar „wertlosen“ Lebens zugrunde – eine Vorstellung, die historisch und aktuell gar nicht scharf genug kritisiert werden kann. Ihre eugenische Haltung macht Johanna Elberskirchen zu einer „zwiespältigen Ahnin“ und relativiert ihr sonst radikales Anderssein und ihr politisches Querdenken, aber schmälert es nicht. Hierbei werden allerdings politische Widersprüche der sonst radikal emanzipatorischen Person Elberskirchens deutlich und Grenzen historischer Identifikation aufgezeigt. Zum kritischen Gedenken gehört aber auch diese Facette des Wirkens von Johanna Elberskirchen. –


Johanna Elberskirchen erlangte überregionale und zeitgenössisch internationale Bedeutung als politische Rednerin und feministische Schriftstellerin zu vielen, meist gesellschaftlich umstrittenen Themen: zum Beispiel Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts und Aufhebung des Verbotes des Frauenwahlrechts, geschlechtsspezifische Erziehung und Bildung, Frauenstudium, Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Arbeiterinnenschutz, Mutterschaft und Kinderheilkunde. Sexualreformerisch und sexualwissenschaftlich setzte sie sich intensiv mit Prostitution, mit Ehe, Heterosexualität und Homosexualität auseinander.


Ihre letzte Veröffentlichung stammt aus dem Jahr 1931 – Elberskirchen ist zu diesem Zeitpunkt 69 Jahre alt. Bis dahin sind von ihr neben zahlreichen Aufsätzen und Zeitungsartikeln mindestens ein Dutzend Bücher teils in mehreren Auflagen erschienen. Zudem gab sie die Zeitschrift „Kinderheil“ und einen gleichnamigen Kalender heraus.


Johanna Elberskirchen war eine politisch äußerst mutige, eine bewusst provokante Frau. Ihre Texte waren ironisch, oft bissig oder auch nur böse, wenn sie sich über Ungerechtigkeiten ärgerte und durchaus gelegentlich dem Sarkasmus zugeneigt. Manchmal schlich sich auch ein selbstgefälliger Ton ein, was sich in Anbetracht der Tatsache erklärt, daß Elberskirchen, obwohl sie in vielen Organisationen politisch mitmischte eher Einzelgängerin und Einzelkämpferin gewesen ist. Johanna Elberskirchen war eine Frau, die sich politisch gerne zwischen alle Stühle setzte, denn sie scheint es sich auf diesem Platz dazwischen äußerst bequem gemacht zu haben.


Sie scheute keine Autoritäten, auch keine wissenschaftlichen und schon gar nicht, wenn es sich um frauenfeindliche Männer handelte und sie scheute es auch nicht, sich Organisationen anzuschließen, in denen Teile ihres politischen Lebens nicht geduldet waren: In der Frauenbewegung kostete sie ihre Thematisierung weiblicher Homosexualität die feministische Anerkennung und in der SPD entzog mann ihr 1913 in Bonn das Parteibuch, weil sie einem bürgerlichen Frauenstimmrechtsverein angehörte, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das hinderte Elberskirchen übrigens nicht daran, hier in Rüdersdorf wieder in der SPD aktiv zu werden und rasch Fuß zu fassen.


Johanna Elberskirchen starb am 17. Mai 1943 im Alter von 79 Jahren in Rüdersdorf, wo sie 23 Jahre ihres sonst geographisch eher unsteten Lebens verbrachte. Bis zu ihrem Tod lebte sie mit zwei ihrer Schwestern, Ida und Laura und ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac im Haus in der Luisenstraße.


Um den Tod oder präziser gesagt, um die Beerdigung von Johanna Elberskirchen rankt sich eine wunderschöne Geschichte, die ihr außergewöhnliches Leben nach ihrem Tod noch mit einer außergewöhnlichen Bestattung würdigt. Durch diese Geschichte klärt sich auch, weshalb in den Beerdigungsunterlagen der Friedhofsverwaltung zwar ein Todestag und ein Grab Elberskirchens, aber kein Beerdigungstermin aufgeführt ist – dazu später mehr!


Teil III:

„Die Urne von Frau Elberskirchen liegt im Grab von Frau Moniac.“ Mit diesem Satz überraschte mich – eigentlich bereits am Ende eines Gesprächs angekommen und kurz vor dem Nachhausegehen – eine meiner Zeitzeuginnen.


Ich hatte ihr zuvor erzählt, wie ich stundenlang auf drei Rüdersdorfer Friedhöfen Gräber und Grabsteine auf der Suche nach Johanna Elberskirchen abgelaufen bin und damit nicht gerade erfolgreich war.


Das dieser Misserfolg ganz schlichte Gründe hatte, wurde durch ihre Erzählung schnell klar: Die kleine schwarze Urne mit der Asche von Johanna Elberskirchen wurde Anfang Juni 1975 – das heißt 32 Jahre nach deren Tod –, heimlich hier auf dem Friedhof in der dort drüben liegenden Grabstätte ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac vergraben.


Es war eine Art Nacht- und Nebelaktion von zwei Frauen, die sich an einem sommerlichen Abend mit einem Korb voll mit Blümchen zur Tarnung, der Urne von Elberskirchen und einem Klappspaten auf dem Weg zum Friedhof Breitscheidstraße gemacht hatten, um die Urne in der Grabstätte von Hildegard Moniac beizusetzen.


Beide hofften weder auf dem Weg noch auf dem Friedhof irgendjemandem zu begegnen, denn so ganz geheuer war ihnen wohl ihr heimliches Vorhaben nicht und wer lässt sich schon gerne mit einer Urne in der Hand von einer Nachbarin ansprechen.


Ich kann nur darüber spekulieren, wie den beiden Frauen wohl zumute gewesen ist – jedenfalls gehe ich davon aus, daß sie auch miteinander bei dieser Aktion viel Spaß gehabt haben:


Urnentransport, Loch graben, Urne rein, Loch zuschaufeln, Blümchen drauf, angießen und beim Schmierestehen abwechseln.


Mehr werde ich von dieser Geschichte der heimlichen Urnennachbestattung – aus Rücksicht auf eine meiner Zeitzeuginnen, die ungenannt bleiben möchte – von dieser Geschichte nicht erzählen. –


Im Frühjahr 2001 war ich zum ersten Mal hier in Rüdersdorf und versuchte seitdem auf unterschiedlichen Wegen, die Grabstätte von Hildegard Moniac und Johanna Elberskirchen zu erhalten.


Am 5. Dezember 2002 beschloss die Gemeindevertretung von Rüdersdorf einstimmig die Unterschutzstellung der Grabstelle Hildegard Moniac/Johanna Elberskirchen auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheid-Straße. Über die überraschende Zusage der Finanzierung zweier Grabtafeln, die mit dieser Veranstaltung der Öffentlichkeit übergeben werden und die Sie und Ihr an der Grabstätte anschauen könnt, freue ich mich persönlich und politisch sehr.


Heute ist, und ich bin sonst keine Freundin pathetischer Worte, dieses rhetorische Feld überlasse ich gerne Johanna Elberskirchen, – heute ist ein besonderer, ein bedeutender Tag für die politische Geschichte von Feministinnen, für die politische Geschichte von Lesben und auch der politischen Geschichte von Schwulen. Bei der Unterschutzstellung und der heutigen Veranstaltung wurde eine wichtige Facette des Lebens und Denkens von Johanna Elberskirchen selbstverständlich mitgenannt und zwar ebenso wie sonst selbstverständlich davon die Rede ist: „sie war die Frau von“ oder „sie war verheiratet mit, sie hatte drei Kinder und fünf Enkel“.


Hildegard Moniac und Johanna Elberskirchen sind zwei – nicht nur – ortsgeschichtlich bedeutsame Persönlichkeiten, deren Leben und politisches Wirken mit der heutigen Veranstaltung hier in Rüdersdorf gewürdigt worden ist: Deshalb ist heute auch, um mich noch einmal in den rhetorischen Fußstapfen von Elberskirchen zu bewegen: ein bedeutender Tag für Rüdersdorf und seine Bürgerinnen und Bürger.


An dieser Stelle noch einmal besten Dank an alle, die an diesem Entscheidungsprozess der Unterschutzstellung positiv mitgewirkt haben!



Doppelt unterstrichen gilt mein herzlicher Dank Manfred Hassemer-Tiedeken vom Rüdersdorfer Umweltarbeitskreis - und auch Jörg Lehmann, dem Leiter des Ordnungsamtes und selbstredend der Gemeindevertretung von Rüdersdorf.


Ganz wichtig und deshalb hier noch einmal besonders hervorzuheben geht ein herzliches Dankeschön an meine Gesprächspartnerinnen und Partner, speziell an die Zeitzeugin, die mir die Geschichte der Urnennachbestattung anvertraute. Und auch der Zweiten, die mir dasselbe erzählte und mich tatkräftig unterstützte - ein herzliches Danke!


Denn ohne deren Erzählungen hätten wir heute nicht hier sein können!



© Christiane Leidinger (Berlin/Rüdersdorf 2003)